Menu:

Trakls 1. Phase (bis 1909)

Der typische schwermütige Ton, der Trakls Gesamtwerk später noch auszeichnen sollte, findet sich anfangs nur andeutungshaft in seiner Jugendlyrik. Das Frühwerk, das alle Gedichte bis etwa 1909 einschließt, ist durch deutliche Einflüsse des Symbolisten Arthur Rimbaud, und einem der "Wegbereiter der literarischen Moderne"3 , Charles Baudelaire, geprägt. Verantwortlich für jene Orientierung an der französischen Lyrik des 19. Jahrhunderts, ist die Hauslehrerin Marie Boring, die sich um die sieben Trakl-Kinder kümmerte und französische Geschichten vorlas, für die sich speziell der junge Georg interessierte.
So drückt sich die schiere Bewunderung für Rimbaud z.B. in der Nachahmung von thematischen Inhalten aus. Ein Exempel zeigt sich in Trakls Gedicht Die tote Kirche, das inhaltlich erstaunliche Ähnlichkeiten zu Rimbauds Les pauvres à l'église aufweist.

Darüber hinaus erscheint der Einfluss des Romantikers Friedrich Hölderlin mit Blick auf einzelne Gedichte Trakls nicht ganz unerheblich. Um derartige Einflüsse nachzuweisen, ist es sinnvoll, bei Gedichten aus Trakls Jugendwerk zu bleiben. Im Sonett Verfall, etwa um 1909 geschrieben, geht es - wie der Titel schon verrät - um den Verfall von Mensch (V.9 "Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern), Natur (V.10 "Ein Vogel klagt in den entlaubten Zweigen) und Menschengeschaffenes (V.11 "(...) an rostigen Gittern). Die ersten beiden Quartette zeigen dagegen eine ganz eigene Dimension, die in ihrer Wortwahl stark an die Literaturepoche der Romantik erinnert. Dafür spricht einerseits die mehrfach dargestellte Weite (V.4 "Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten") und Unendlichkeit der Natur (V.2 "Folg ich der Vögel wundervollen Flügen" ; V.8 " So folg' ich über Wolken ihre Fahrten), die offensichtlich zum Sehnsuchtsobjekt (V.6 "Träum' ich nach ihren helleren Geschicken") des lyrischen Ichs wird. Ferner kommt das typische Wanderermotiv aus der Romantik (V. 5 "Hinwandelnd"), das sich im Grunde durch beide Quartette zieht, zur Geltung. Das lyrische Ich beschreibt die Situation wie die aus der Sicht eines Wanderers, der die Natur beobachtet und gleichzeitig die Schönheit in der Ferne sucht.
Wie stark diese Verse in die Romantik passen, lässt sich erkennen, wenn man die beiden Quartette als theoretische Subscriptio für ein Bild aus der romantischen Kunstepoche verwenden würde. Caspar David Friedrichs Gemälde "Der Wanderer über dem Nebelmeer" scheint fast das passende Korrelat zu Trakls Versen zu sein.